Anwendungsgebiete und Dosierung von Faktor VIII SDH Intersero

Faktor VIII SDH Intersero ist zur Prophylaxe und Therapie von Blutungen bei Patienten mit Hämophilie A (angeborenem Faktor VIII-Mangel) sowie Erworbenem Faktor VIII-Mangel zugelassen. Daneben können Patienten mit Faktor VIII-Inhibitor behandelt werden.

Generell richtet sich die Dosierung von Faktor VIII nach dem Schweregrad der Erkrankung, der Lokalisation und der Schwere der Blutung sowie dem Blutungsverlauf. Daneben müssen individuelle Faktoren sowie alterskorrelierte Unterschiede berücksichtigt werden: So ist beispielsweise bekannt, dass die Halbwertszeit von Faktor VIII bei Kindern geringer ist als bei Erwachsenen, und dass sich mit zunehmendem Lebensalter der Abbau von Faktor VIII (die sogenannte Clearance) erhöht. Es gilt die Faustregel, dass die Substitution von 1 IE Faktor VIII den intravasalen FVIII-Spiegel um 1–2% erhöht.

Prophylaktische Behandlung mit Faktor VIII

Das Konzept der prophylaktischen Behandlung von Hämophiliepatienten mit Faktor VIII basiert aus Beobachtungen der späten 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, nach denen Patienten mit einem Faktor VIII-Spiegel zwischen 1 und 5% nur wenige Spontanblutungen erlitten und somit weniger stark von Gelenkschädigungen betroffen waren.

Die prophylaktische Behandlung mit Faktor VIII wird primär für Kinder mit schwerer Hämophilie A (Faktor VIII-Restaktivität < 1%) empfohlen. Dabei wird meist eine Dosierung zwischen 25 und 40 IE pro kg Körpergewicht dreimal pro Woche empfohlen. Postuliert man für die FVIII-Halbwertszeit einen Durchschnittswert von 12 Stunden, sinkt bei einem Prophylaxeschema der theoretische Faktor VIII-Spiegel nie unter 1%.

Einige große deutsche Hämophiliezentren sind dazu übergegangen, ein modifiziertes Prophylaxeregime zu verwenden: Dabei wird – beginnend mit der ersten Gelenk- oder Muskelblutung – Faktor VIII in niedriger Dosierung (20 bis 30 IE pro kg Körpergewicht) einmal pro Woche appliziert (siehe Literaturzitat [5]). Diesem Behandlungsregime wird ein positiver Effekt auf die Häufigkeit von Faktor VIII-Inhibitoren zugeschrieben. Im Bedarfsfall werden Substitutionshäufigkeit bzw. Dosierungen angepasst.

Bedarfsbehandlung mit Faktor VIII

Neben der prophylaktischen Behandlung mit Faktor VIII gibt es die sogenannte Bedarfsbehandlung mit Faktor VIII, bei der nur im Blutungsfall bzw. bei operativen Eingriffen substituiert wird. Der grundsätzliche Wechsel von Prophylaxe zu Bedarfsbehandlung wird häufig mit dem Erreichen des Erwachsenenalters in Verbindung gebracht, obwohl aktuelle Registerzahlen belegen, dass auch ein großer Teil der Erwachsenenpopulation eine prophylaktische Behandlung durchführt [6].

Für die verschiedenen Blutungstypen gibt es unterschiedliche Empfehlungen, die in der folgenden Tabelle zusammengefasst sind. Dabei wurden publizierte Werte der Literaturzitate [1], [3], [4] und [5] berücksichtigt.

BlutungstypGewünschter FVIII-SpiegelIE FVIII/ kg Körpergewicht *)Dauer der Behandlung
Gelenk40 – 100%20 – 501 – 2 Tage
Muskel40 – 80%20 – 402 – 3 Tage
M. ilipsoas80 – 100% (initial)
30 – 60% (Folgebehandlung)
40 – 50
15 – 30
1 – 2 Tage
3 – 5 Tage
ZNS80 – 100% (initial)
50% (Folgebehandlung)
40 – 50
25
1 – 7 Tage
8 – 14 Tage
Gastrointestinale Blutungen80 -100%
50%
40 – 50
25
1 – 6 Tage
7 – 14 Tage
Niere30 – 50%15 – 303 – 5 Tage
Tiefe Risswunden50 – 70%25 – 355 – 7 Tage
Großer operativer Eingriff80 – 150% (präoperativ)
60 – 80% (postoperativ)
40 – 60% (postoperativ)
30 – 50% (postoperativ)
40 – 75
30 – 40
20 – 30
15 – 25

1 – 3
4 – 6
7 – 14
Kleiner operativer Eingriff50 -100%25 – 50bis zur Wundheilung

Tab. 1: Dosierungsempfehlungen für Faktor VIII im Blutungsfall bzw. bei operativen Eingriffen.
*) basierend auf der Kalkulation, dass 1 IE/kg Körpergewicht den FVIII-Spiegel um 2% erhöht

Behandlung von Faktor VIII-Inhibitoren

Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Behandlungsformen kommt Faktor VIII auch bei sogenannten Immuntoleranzinduktionsschemata zum Einsatz. Faktor VIII-Inhibitoren treten primär bei pädiatrischen Patienten mit schwerer Hämophilie A auf und stellen eine große Herausforderung für den behandelnden Arzt dar, da eine normale Blutungsbehandlung erschwert ist. Das Behandlungsprotokoll nach dem Bonner Schema ist in Deutschland am meisten verbreitet. Es beinhaltet – je nach Schwere der Komplikationen – die regelmäßige Gabe großer Faktor VIII-Mengen mit Ziel einer Toleranzinduktion des Immunsystems gegenüber FVIII. Dabei gelten folgende Empfehlungen:

Danach stufenweise Dosisreduktion auf Werte einer normalen Prophylaxe (s. o.)

Neben dem Bonner Hochdosisregime gibt es weitere Behandlungsformen, wie das Van CreveldProtokoll und das komplexe Malmö-Schema. Beide Behandlungsformen sind nicht Mittel der Wahl bei der Behandlung von FVIII-Inhibitoren in der Pädiatrie.

Bei erworbener Hämophilie A, die ein autoimmunes Phänomen bei Erwachsenen darstellt, kommen Modifikationen des Malmö-Protokolls zum Einsatz, bei denen unter anderem hohe FVIII-Dosierungen eingesetzt werden [7].

Literaturhinweise

[1] Guidelines for the Management of Haemophilia. WFH-Publikation 2005 (siehe auch: www.wfh.org)
[2] Srivastava, A.: Dose and response in haemophilia – optimization of factor replacement therapy. British Journal of Haematology 127: 12-25 (2004).
[3] Escobar, M. A.: Treatment on demand – in vivo dose finding studies. Haemophilia 9: 360-367 (2003).
[4] Escobar, M. A.: Products used to treat hemophilia: dosing. Erschienen in: Textbook of Hemophilia, Blackwell Publishing 2005, S. 153ff.
[5] Auerswald, G., Kurnik, K., Girisch, M., Oldenburg, J., Kreuz, W.: Hämophilie bei Kindern. Pädiatrie up2date 2008: 145-160.
[6] Scholz, U., Syrbe, G., Koscielny, J., Klamroth, R.: Patienten mit Hämophilie A, B oder von-WillebrandSyndrom Typ 3: Systematische Erfassung im Osten Deutschlands. Hämostaseologie 28: 150-154 (2008).
[7] Zeitler, H. et al.: Treatment of Factor VIII Inhibitors with Selective IgG Immunoadsorption – a Single Center Experience in 50 Patients with Acquired Hemophilia. Transf. Med. Hemother. 33: 160-164 (2006).